Vom Scherbengericht bis zum Atomausstieg
Veröffentlicht am von Maxi Unger
Location(s): Gotthold-Ephraim-Lessing-Gymnasium Kamenz
Themen zu diesem Artikel: Podiumsdiskussion
Freitag, 18.11.2011, 13.30 Uhr. Eine Menge Schüler aller Altersklassen drängen sich im Gang vor Zimmer 313 des G.-E.-Lessing-Gymnasium Kamenz. Warum? Schon zum zweiten Mal kommt ein bekannter Politiker ins Kamenzer Gymnasium. Nach dem Besuch Georg Milbradts (ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen) im Frühjahr besuchte der Landtagspräsident von Sachsen, Matthias Rößler, unser Gymnasium, um mit den Schülern über politisch aktuelle Themen zu diskutieren.
Bevor allerdings die Diskussion beginnt, gibt es eine „kurze“ Einleitung vom Minister. Angefangen bei seiner persönlichen Lebensgeschichte, zum Scherbengericht im alten Griechenland und schließlich wieder in die heutige Zeit. „Wenn man etwas verändern möchte, lässt man sich wählen.“, fordert er die Schüler auf, sich zu engagieren. Jetzt als Klassensprecher und später z.B. im Gemeinderat. Man solle von unten anfangen, wenn nicht gerade Revolutionszeiten sind, sagt er. Er selbst war Sprecher beim Demokratischen Aufbruch, in der friedlichen Revolution 1989/90. „Wer bei historischen Veränderungen an der Front steht, kommt dann auch ganz schnell in ein neues Leben.“, sagt er. Dies ist ihm gelungen, denn seitdem war er Kultusminister, Minister für Wissenschaft und Kunst und auch in der Finanzpolitik tätig. Seit 2009 ist er Landtagspräsident von Sachsen.
Durch diese vielen Ämter, die er schon inne hatte, ergibt sich auch gleich die erste Frage: Ob das wechseln der Ministerien auch mit den behandelnden Themengebieten vereinbarbar ist. Herr Rößler antwortet dazu mit ja, ist es. Was soll er auch anderes sagen, er hat es ja selbst gemacht. Seiner Meinung nach muss ein Politiker ja kaum fachliche Entscheidungen treffen, sondern eher politische Grundsatzentscheidungen. Die optimal-Bedingungen wären natürlich, wenn ein Politiker fest im politischen Bereich verwurzelt wäre und dazu noch genügend Fachkompetenz hätte, aber die Vernetzung der Fachleute im politischen fehle einfach, Rößlers Meinung nach.
Danach ging es auch gleich zu einer „sehr schweren Frage“: „Wie funktioniert der Euro-Rettungsschirm?“, wollte ein Schüler der fünften Klasse wissen. Die darauf folgende, sehr ausführliche Erklärung, mit der Ergänzung, dass man noch überhaupt nicht wisse, ob er überhaupt funktioniert wurde sofort wieder in Frage gestellt, denn schließlich entstehen durch so einen Rettungsschirm auch für andere Länder immer mehr Schulden. Herr Rößler bestätigt diese Aussage und sagt dann, wenn Griechenland die Auflagen, die es erhalten hat nicht einhält, muss es aus der Euro-Zone ausgeschlossen werden. Eine Schülerin der zehnten Klasse kann es nicht verstehen, dass bei der Finanzkrise 2008 versprochen wurde, extreme Maßnahmen zu ergreifen, aber kaum etwas dergleichen passiert ist. Sie stellt die Glaubwürdigkeit der Politik und auch der Wirtschaftsordnung damit in Frage und fragt Herrn Rößler, wie er dazu steht. Dieser schiebt die Schuld schlicht den Banken zu. Dadurch, dass die Wirtschaft, besonders in Großbritannien, größtenteils auf risikoreichen Transaktionsgeschäften basiert, möchten die Banken natürlich auch keine Transaktionssteuer, denn die würde die Gewinne deutlich einschränken. „Diese Regulierungen, die man 2008 vorgehabt hat, sind am Widerstand der Banken gescheitert.“, begründet Rößler die fehlenden Maßnahmen.
Aber auch das sogenannte „Todes-Trio“ aus Zwickau beschäftigt die Schüler und die damit verbundene Frage nach einem NPD-Verbot. Aber auch dies ist schwerer, als es aussieht, denn laut Rößler sind die meisten Leute an den Parteispitzen der NPD sogenannte V-Männer, die für den Verfassungsschutz arbeiten und man nichts verbieten kann, was die eigenen Leute gesagt hätten. Auch hätte sich in der Terrorzelle aus Zwickau kein Spitzel befunden, der zur früheren Aufklärung hätte beitragen können. Allerdings bestätigt er, dass die Geheimdienstarbeit deutlich effektiver werden muss, um so etwas, wie dort passiert ist, vorzubeugen.
Das vierte große, von den Schülern angesprochene Thema war der Atomausstieg. Er betont, dass der Steuerzahler diesen Ausstieg nicht bezahlt, sondern man ihn auf der Stromrechnung eher bemerken würde, denn alternative Energien wären deutlich teurer als Atomstrom. Auf die Endlager kommt Rößler erst auf Nachfrage eines Schülers zu sprechen. Wie man die Strahlenrückstände am besten loswird weiß er nicht. Die Methode, die er präsentiert: man ist auf der Suche nach neuen „geeigneten geologischen Formationen“ um das Zeug für die nächsten 10 000 Jahre einzulagern. Was dann passiert, darauf kommt er nicht zu sprechen.
Jedoch hat man als Schüler doch eine ganze Menge über Politik und das aktuelle Geschehen erfahren und konnte sich neue Meinungen anhören. Als Abschluss von Herrn Rößlers Besuch an unserem Gymnasium wurde die erst am 9. November in einem Projekt errichtete Mauer umgeworfen durch einige Schüler und damit ist auch im Foyer des Lessing-Gymnasiums die Mauer gefallen.
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