Ein ganz normaler Tag ...

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 (Foto: Maxi Unger)

Manchmal habe ich das Gefühl, mein Wecker führt ein Eigenleben. Er scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, mich genau dann aus meinen Träumen zu reißen, wenn ich endlich einmal Schlaf gefunden habe. Penetrant und laut schafft er sich Gehör und zwingt mich, meine Augen aufzuschlagen. Am liebsten würde ich den Störenfried an die Wand werfen, doch morgens ist meine Motorik noch etwas eingeschränkt und daher greife ich entweder daneben oder ich werfe nicht fest genug.


Nach etlichen Kämpfen zwischen ihm und mir quäle ich mich schließlich aus dem Bett, sonst komme ich zu spät zur Schule.


Müde tapse ich durch unseren Flur, welcher einem Hindernisparcours gleicht, da er mit Fallen wie Stofftieren, Rasseln, Bauklötzchen, Kochlöffeln und Puppen versehen ist. An dieser Stelle möchte ich mich auch gleich bei meiner kleinen Schwester bedanken, ohne die ich wohl nicht so frisch und munter, einige Flüche ausstoßend, im Badezimmer ankommen würde. Habe ich endlich die morgendliche Vorhölle überwunden, fange ich an, mich zu präparieren, was etwa eine halbe Stunde in Anspruch nimmt. Natürlich hat auch das Bad seine Tücken, wie sollte es anders sein? Man findet dies und das nicht, bis man in die heiligen Schubladen der Mutter schaut, welche aus unerfindlichen Gründen das eigene Schminkarsenal beinhalten, deren Eigentümer aber natürlich keine Ahnung hat, wie das um Himmels Willen dort hineingeraten ist. So etwas aber auch, diese verflixten Kosmetikartikel!


Meißt klopft es nach zehn  Minuten Badaufenthalt an der Tür, welche ich natürlich mit Freuden öffne. Zum Anfang dachte ich, ein Faltenhund würde vor dem Bad sitzen, aber inzwischen weiß ich, dass meine Mutter sich einfach nach meinem Befinden erkundigen will. Sobald ich erkläre, dass es mir gut geht und dass ich keine Hilfe brauche, was Essen oder ähnliches angeht, verzieht sie sich, flink den Stolperfallen am Boden ausweichend, zurück in ihr Revier.


Ein kurzer Blick auf die Uhr drängt mich zum Aufbruch und ich lege einen Zahn zu. In diesen hektischen Minuten, fallen mir immer  tausend Dinge ein, die ich unbedingt brauche und die Treppe wird somit zur Rennbahn. Habe ich dann endlich alles zusammengesucht, was überlebensnotwendig ist, renne ich aus dem Haus mit einer Geschwindigkeit, zu der ich im Sportunterricht niemals fähig sein würde, um ja noch den stinkenden Bus zu erwischen, welcher voll mit Schüler ist, die mit Freude dem Schultag entgegen fiebern. Endlich an der Schule angekommen, betrete ich, von Elan und Enthusiasmus begleitet, das Gebäude, welches mir so viel Spaß am Lernen bereitet. Ich wechsele  von Raum zu Raum alle 45 Minuten und warte auf die Lehrer, die komischer Weise immer zu spät kommen, natürlich mit der Ausrede, noch etwas Dringendes erledigt zu haben, aber dann doch verdächtig nach Kaffee duften.


Nach einer Zeit, die viel zu kurz scheint, ist das Spektakel auch schon wieder vorbei und ich muss wieder nach Hause, was für ein Jammer.


Zurück geht es erneut mit dem Stinke – Bus, der meistens von einem griesgrämigen Busfahrer geführt wird, welcher wohl noch nie in seinem Leben gelächelt hat und mich noch nicht einmal grüßt. Nettigkeit scheint eben doch nicht Jedermanns Charakterzug zu sein.


Zu Hause werde ich von unserem Hund begrüßt, der freudig bellend auf meinen Füßen herum trampelt, als wäre es ein Wettbewerb. Meine Versuche, das kleine Trampeltier wegzuschieben sind natürlich vergebens.


Meine Erziehungsberechtigte begrüßt mich ebenfalls, jetzt entknittert und mit meiner kleinen Schwester auf dem Arm, die fröhlich und in voller Lautstärke jegliche Stimmungsschwankungen zum Besten gibt. Wieso auch nicht? Schaden kann es ja nicht, wenn sogar die Nachbarn wissen, ob der kleine Satansbraten weint oder lacht.


Nachdem mir erzählt wurde, was ich zu tun und zu lassen habe, in einem sehr freundlichen Tonfall, der dennoch so stechend scharf ist, dass er keinen Raum für Diskussionen lässt, entschwinde ich in mein Zimmer, um den Opernaufführungen meiner Mutter zu entgehen, welche sie gern zum Unterhaltungsprogramm beisteuert. Mit Sicherheit gibt es auch in anderen Haushalten Elternteile, die schon einmal gerne ab und zu singen, doch bei mir zu Hause scheint immer ein Musical aufgeführt zu werden. Mit Tanzeinlagen, bei denen jeder Tänzer sich die Kugel geben würde, und mit Gesangsdarbietungen, welche zu beschreiben absolut unmöglich ist. Jeder, der schon einmal bei uns war, weiß, wovon ich spreche. Und die, die es noch nicht waren, können froh sein, dass es ihnen möglich ist, ohne Gehörschaden durchs Leben zu wandeln.


Nachdem ich die Schularbeiten fertig habe, welche gewiss immer sehr sorgfältig erledigt werden, gebe ich mein ganzes Leben auf Facebook Preis und zwinge somit Allem und Jedem sämtliche unwichtige Details über mich auf. Natürlich wird das alles kommentiert, „geliket“ und von Facebook für die nächste Zeit gespeichert. Vielen Dank an dieser Stelle auch an die Internetplattform, die einfach nicht vergessen kann.


Neigt sich der Tag dem Ende zu, so schalte ich die Elektronik ab, außer meinem Handy natürlich, ohne welches ich nicht aus dem Haus gehen kann, ohne mich „nackt“ zu fühlen und lege mich zur Ruh. Manchmal kreisen meine Gedanken noch um die anstehenden Schultage, die natürlich locker, luftig, leicht werden, nur bis 14 oder 15 Uhr gehen und keinesweges Leistungskontrollen oder Klassenarbeiten enthalten. Ach, wer kommt denn auf so etwas?


Bei diesen Gedanken fällt mir immer auf, dass ich es vermisse, in der Schule zu sein.
Aber morgen darf ich ja wieder hin.

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